Es gibt nur wenige Menschen in der Geschichte deren Leben wie aus einem einzigen Guss zu sein scheint, indem es keine entscheidenden Brüche gab und deren ganze Lebensführung darauf aufgebaut war einen einmal gefassten Plan auszuführen und in dem ein Individuum auch noch in derart glücklichen Umständen lebt, dass ihm dies ermöglich wurde. Es sind dies Menschen bei denen Werk und das eigene Leben zu einer harmonischen Einheit verschmolzen sind, die oft von einem einzigen Interesse geleitet werden, das dem Außenstehenden zwar oft als einseitig erscheinen mag, das jedoch vom Individuum selbst ganz und gar nicht als solches empfunden wird. Ein Mann, den ich heute vorstellen möchte führte ein derartiges Leben, das einem einzigen großen Projekt gewidmet war: Alexander von Humboldt.
Ein Leben im Dienste einer Mission
Alexander von Humboldt wurde im selben Jahr wie Napoleon, 1769, als Sohn eines Offiziers der preußischen Armee geboren. Schon in seiner Kindheit wurde unter Anleitung der besten damals verfügbaren Lehrer das Interesse für die Erforschung der Natur geweckt. Die Erziehung im Hause Humboldt war exzellent und förderte die individuellen Talente der Kinder und deren Interessen. Neben guten Anlagen war es vor allem dieses Interesse an Bildung, das von den Idealen der Aufklärung getragen war, das sowohl aus Alexander als auch seinem Bruder Wilhelm herausragende Denker und erfolgreiche Menschen machte (Wilhelm wurde preußischer Minister und Staatsreformer nachdem die berühmte Berliner Universität benannt ist).
Bereits in frühester Jugend fasste Alexander den Entschluss sein Leben der Erforschung der Natur zu widmen. Bald schon konkretisierte sich dieser Entschluss zum Plane eine große Reise zu unternehmen, die ganz der Aufgabe neue Erkenntnisse über Geographie, Zoologie und vor allem über die Botanik zu gewinnen gewidmet war. Nach dem Studium in Frankfurt, Göttingen, Hamburg und an der Bergakademie Freiberg, wurde er 1792 Assessor im preußischen Bergdepartement. In dieser Tätigkeit unternahm er ausgedehnte Reisen durch Deutschland und Europa um seine geologischen Kenntnisse zu vervollkommnen. Als 1796 seine Mutter starb und ihm ein großes Vermögen hinterließ, quittierte er ohne Zögern seinen Dienst (auch wenn ihm viel Geld und bezahlter Urlaub angeboten wurde) und widmete sich von nun ab ganz seiner Lebensmission.
Zuerst machte er mehrere Reise, unter anderem mit dem berühmtesten Naturforscher des damaligen Deutschland Georg Forster, traf Goethe und erkundete alle möglichen geologischen und botanischen Sammlungen im In- und Ausland. Dann traf er in Paris Aimé Bonpland mit der er sich anfreundet und der sein Begleiter auf seiner mehrjährigen Reise werden sollte.
Humboldts große Forschungsreise (1799-1804)
Alexander hatte schon früh beschlossen niemandes Knecht sein zu wollen, sein eigener Herr zu sein und nur auf eigene Rechnung zu arbeiten. Etliche Angebote seine Expedition zu finanzieren, lehnte er deshalb ab. Auch schwebte Humboldt etwas anders vor, als dies bei Expeditionen bis dahin üblich gewesen war: sie sollte alleine der Wissenschaft gelten und nicht von profanen Kosten-Nutzen-Überlegungen bestimmt sein. Auch deshalb wusste er, dass er keine Finanzierung annehmen konnte, denn eine solche kommt bekanntlich immer mit Verpflichtungen einem anderen und dessen Interessen gegenüber im Schlepptau daher.
Nachdem Humboldt auf eigene Kosten seine Expedition ausgestattet hatte, in Madrid die Erlaubnis zur Erforschung Spanisch Amerikas erhalten hatte, trafen er und Bonpland im Juli 1799 in Venezuela ein. Dort erforschte er den Orinoko und drang tief in den Urwald des Amazonas ein, in Gebiete in die sich bislang kein Weißer vorgewagt hatte. Nach einem Abstecher nach Kuba, ging es 1801 nach Kolumbien, den Magdalenenstrom hinauf und immer weiter bis auf die höchsten Gipfel der Anden. Humboldt und Bonpland kamen im Juni 1802 bis zum Chimborazo, der damals mit 6272 Metern Höhe für den höchsten Berg der Anden gehalten wurde. Weiter ging es durch Ecuador und Perus bis nach Lima. Nach einem kurzen Aufenthalt in Guayaquil erreicht die Expedition Mexiko, wo er sich genau ein Jahr lang, bis zum März 1804, aufhielt und den zentralen Bereich des Landes erforscht. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Havanna und einem Aufenthalt in Philadelphia und Washington (mit Besuch bei Präsident Jefferson), erreichte Humboldt und sein Freund Bonpland im August 1804 wieder Europa.
Die Ergebnisse der Expedition
Humboldt fand in Süd- und Mittelamerika bis dahin völlig unbekannte Tier- und Pflanzenarten, begründete die Wissenschaft der Planzengeographie und wurde bald der berühmteste Wissenschaftler seiner Zeit. Nach den fünf Jahren seiner Expedition widmete er sich für den Rest seines Lebens der Auswertung der Ergebnisse. Darin glich er Charles Darwin, der ebenfalls wie Humboldt noch zu einer „vormodernen“ Art von Naturforscher gehörte – gleichzeitig bilden diese beiden großartigen Beobachter jedoch sowohl den Höhepunkt, als auch den Abschluss des explorierenden Naturwissenschaftlers alten Schlages.
Humboldt verbrachte die nächsten 20 Jahre nach der Reise sein Leben im von ihm so geliebten Paris, blieb jedoch seiner Heimat Berlin stets treu verbunden, in die er 1827, auf ausdrücklichen Wunsch des Königs von Preußen, wieder übersiedelte. Die Gesamtausgabe von Humboldts Reise umfasste endlich ganze 35 Bände. In Berlin entstand der Abschluss seiner gewaltigen Arbeit zu seinen Naturforschungen, die unter dem Titel „Kosmos“ erschien. Nach einigen kleineren Expeditionen unternahm der 60jährige noch eine Exkursion nach Sibirien. Als sein privates Vermögen aufgezehrt war, verschaffte ihm der preußische König einen Posten als Kammerherr, der gut besoldet war aber nur wenige Verpflichtungen mit sich brachte, so dass Humboldt sich auch weiterhin ganz seiner Lebensaufgabe widmen konnte. Als berühmter und hoch geachteter Mann starb Alexander von Humboldt im Alter von 90 Jahren, zufrieden und satt an Jahren, 1859 in Berlin.
Der Mensch Humboldt
Alexander von Humboldt vereinte in sich zwei scheinbar widersprüchliche Eigenschaften. Auf der einen Seite war er mit den preußischen Tugenden, wie Fleiß, Genauigkeit, Pünktlichkeit und Pflichterfüllung aufgewachsen, auf der anderen Seite behinderten ihn diese „strickten“ Eigenschaften nicht dabei offen für Neues zu sein, die Welt auf seine ganz eigene Art zu betrachten und sich seines Verstandes auf eigenständige Weise (wie Kant empfahl) zu bedienen. Alexander verband eine scharfe Beobachtungsgabe mit einem flexiblen Geist, der zur Analyse gleichermaßen in der Lage war wie zur Synthese. Trotz seiner „sachlichen“ Orientierung an den Objekten und Lebewesen der Natur, war er ein sehr menschenfreundlicher und geselliger Mensch, der sich ohne weiteres in der Gesellschaft bewegen konnte und sich dabei viele Freunde zu machen wusste.
Es ist bei manchen der Verdacht aufgekommen Humboldt könnte homosexuell gewesen sein, da keinerlei Frauengeschichten aus seinem Leben bekannt sind. Ich denke es ist wohl ähnlich wie bei Immanuel Kant, der auch zeitlebens niemals eine Beziehung zum anderen Geschlecht hatte, aber, und das sei angemerkt, auch niemals eine zum eigenen Geschlecht. Sowohl Humboldt als auch Kant scheinen „asexuelle“ Gesellen gewesen zu sein und sollten sie über eine Sexualität irgendwelcher Art verfügt haben, so waren sie wahre Meister darin diese zu sublimieren (spätestens seit Sigmund Freud ist dies allgemein bekannt geworden). In dieser Beziehung sind beide sehr positive Beispiele und zeigen gerade uns im 21. Jahrhundert, die wir in einer übersexualisierten Zeit leben, dass ein glückliches uns erfülltes Leben sehr wohl ohne die Ausübung irgendeiner Art von Sexualität möglich ist, ja dass gerade Menschen, die dies tun zu den herausragendsten Geistern überhaupt gehören können.
In ganz Amerika, von Alaska bis Feuerland, gilt Humbold noch heute als Held. Unzählige Orte, Seen etc. sind nach ihm benannt und in Lateinamerika wird er immer noch wie ein Nationalheiliger behandelt. Durch Humboldt hat die systematische Erforschung Amerikas im Grunde überhaupt erst begonnen.
Was man von Humboldt lernen kann
- Wenn man einmal seine Mission im Leben gefunden hat, darf man sich davon nicht mehr abbringen lassen, egal welche Widerstände sich einem auch entgegen stellen.
- Wenn man begeistert ist von dem, was man tut, wenn man seine wahre Berufung gefunden hat, dann sind Arbeit und Vergnügen keine Widersprüche mehr, dann ist die Arbeit das Vergnügen und vice versa.
- Es lohnt sich im Leben seine Energien auf seine Aufgabe zu konzentrieren und nicht auf „allen Hochzeiten“ tanzen zu wollen.
- Die Liebe zum Leben ist immer die beste Investition, die man machen kann.
- Auch ohne Familie kann ein Mensch erfolgreich sein (der Satz, dass hinter einem erfolgreichen Menschen immer jemand anders, z.B. die Ehefrau, stünde, ist nicht wahr).
- Die Fähigkeit mit Menschen umzugehen ist auch für Naturwissenschaftler und Denker von großem Vorteil, ja unabdingbar für den gesellschaftlichen Erfolg, auf den auch diese nicht verzichten können.
- Ein offener Geist und eine gute Beobachtungsgabe sorgen für neue Erkenntnisse, auch in jenen Bereichen wo man glaubt bereits alles zu wissen.
Alexander von Humboldt hat ein Leben geführt, wie es sich viele wünschen und nur die wenigsten je erreichen: der eigene Herr zu sein, das ganze Leben in den Dienst der selbst gewählten Aufgabe zu stellen und dabei glücklich, zufrieden und erfolgreich zu werden. Doch lernen können wir alle etwas von ihm und ich glaube darin liegt der Wert seines Lebens (neben den naturwissenschaftlichen Verdiensten natürlich) auch heute noch – dass es uns als Beispiel und Anregung für unseren eigenen Lebensweg dienen kann.
Euer O. M.