Eine glänzende Karriere
Es ist Herbst 1632, der 49-jährige kaiserliche Generalissimus Albrecht von Wallenstein, Herzog von Kurland, steht am Höhepunkt seiner Laufbahn. Eben erst hat der in glänzender Manier die protestantischen Schweden aus Süddeutschland vertrieben und damit den Kaiser (Ferdinand II.) und die katholische Liga aus ärgster Not gerettet, in die sie geraten waren, nachdem ab 1630 König Gustav II. Adolf von Schweden, der „Löwe von Mitternacht“, die Katholiken vor sich hergetrieben hatte, bis nach München vordrang und von dort aus den Marsch auf Wien vorbereitet. Erst zwei Jahre zuvor hatte der Kaiser auf dem Kurfürstentag in Regensburg Wallenstein auf Druck der Fürsten, sowohl der katholischen als auch der protestantischen, aus dem Amt des Oberbefehlshabers entlassen. Jetzt, in höchster Not griff man wieder auf den eigenwilligen, arroganten und überaus selbstbewussten Herzog zurück – er war der einzige Mann, der die schwere militärische Aufgabe erledigen konnte, nachdem Johann von Tilly, sein Vorgänger, so kläglich versagt hatte. Wallenstein zieht nun weiter und trifft erneut auf die Schweden, dieses Mal bei Lützen. Es kommt zu jener berühmten Schlacht im November 1632, in der König Gustav II. Adolf sein Leben lässt (vor allem aufgrund von Eitelkeit, da er als stark Kurzsichtiger zu stolz war um mit Brille in die Schlacht zu ziehen) und die auch für Wallenstein zur Zäsur wird. Von nun an glaubt Wallenstein nicht mehr an die Lösung des Krieges (der Dreißigjährige Krieg von 1618-1648) durch militärische Konfrontationen, sondern durch die Diplomatie. Das geschieht allerdings gegen den Willen des Kaisers und der katholischen Liga, vor allem gegen deren Oberbefehlshaber, Herzog Maximilian von Bayern. Was war geschehen, wie ist es mit dem militärischen „Star“ des Kaisers so weit gekommen?
Geboren wurde Albrecht Wenzeln Eusebius von Wallenstein im September 1583. Er wuchs protestantisch auf, konvertierte jedoch in seiner Jugend zum Katholizismus. 1608 lässt er sich von niemand geringerem als Johannes Kepler ein Geburtshoroskop erstellen, das mit erstaunlicher Präzision Auskunft über seinen Charakter gibt und vieles über den weiteren Werdgang des jungen ehrgeizigen Mannes kundgab. Wallenstein selbst glaubte lebenslang an die Astrologie und konsultierte stets die Sterne, bei allen wichtigen Entscheidungen. Er heiratete sehr vorteilhaft, wodurch er in den Besitz eines gewaltigen Vermögens kam. Dieses Vermögen bildete auch die Grundlage für seine Karriere. Er erwarb sich in Böhmen riesige Ländereien, bis er über ein Viertel des gesamten Grundbesitzes des Landes verfügte. 1617 trat Wallenstein erstmals in Erscheinung, indem er sich anbot Truppen für den Kaiser so requirieren und die Festung „Gradice“ für den Kaiser rettete, nachdem diese von protestantischen Truppen belagert worden war. 1618 wurde Wallenstein zum kaiserlichen Obristen bestellt. Im Jahr darauf entriss er in Mähren dem Feind die Kriegskasse und lieferte sie dem kaiserlichen Hof ab. Nach der Schlacht am Weißen Berg, im November 1620, wird der Söldnerführer zum Herzog von Kurland erhoben. Er führt seine Ländereien modern und vorbildhaft, stattet seine Truppen hervorragend aus und trainiert sein Soldaten zu gefürchteten Eliteeinheiten, die es mit jedem Feind aufnehmen können. Wallenstein selbst erwirbt sich einen ausgezeichneten Ruf als Feldherr, wird von seinen Männer verehrt und besitzt wie andere große Heerführer der Geschichte (etwa Cäsar und Napoleon) die Fähigkeit eine Bindung zu seiner Truppe aufzubauen und die Männer zu begeistern und anzutreiben, so dass sie ihm bedingungslos überallhin folgen.
Im Winter 1624/25 bietet der Herzog dem Kaiser erneut seine, inzwischen stark aufgestockte, Truppe an, unter seiner eigenen Führung, versteht sich. Er wird zum kaiserlichen Generalissimus ernannt und besiegt die Protestanten in beinahe ganz Ost- und Norddeutschland und sichert diese Gebiete für den Kaiser. 1630 hatte er soviel Macht angehäuft, dass Gerüchte aufkamen, der Herzog wolle selbst nach der Krone greifen – zumindest der Krone von Böhmen. Die Reichsfürsten machten deshalb auf den Kaiser derart viel Druck, dass dieser nachgeben musste und Wallenstein entlassen wurde. Tief gekränkt zog dieser sich zurück. Als er zwei Jahre später erneut in des Kaisers Dienste gerufen wurde, stellte er unerhört hohe Forderungen, auf die jedoch eingegangen werden musste, da Wallensteins Genie durch niemanden ersetzbar war. Der Kaiser war nun vollends von ihm abhängig und war zudem tief bei Wallenstein verschuldet. Noch einmal wies er glänzende militärische Erfolge auf, doch die Schlinge um seinen Hals zog sich immer mehr zu; der Hass und der Neid anderer Fürsten wurde stetig größer und größer. Gerüchte kamen auf Wallenstein hätte gegen den Kaiser und das Reich Geheimverhandlungen mit den Schweden geführt. Im Winter 1633/34 lagerte Wallensteins Heer in Böhmen und Mähren, etwas, das der Kaiser ihm zu unterlassen geboten hatte, musste doch die lokale Bevölkerung für den Unterhalt der Truppe aufkommen. Wallenstein hielt Kriegsrat in Pilsen, wo mit seinen Generälen beschlossen wurde des Kaisers Befehl zu ignorieren. Daraufhin ächtete der Kaiser den Herzog, zuerst geheim im Jänner 1634, kurz darauf, im Februar, auch öffentlich. Nun floh er mit einer Handvoll an Getreuen in die Grenzstadt Eger, wo er sich sicher wähnte. Der Stadtkommandant stellte in der Folge seinen Gefährten eine Falle (er lud sie alle zu einem Festessen ein) und ermordete diese kurzerhand. Unmittelbar darauf drangen eifersüchtige Offiziere in Wallensteins Quartier ein und ermordeten ihn dort. Dies geschah am 25. Februar 1634 im Auftrag des Kaisers.
Interpretation
In seinen letzten zehn Lebensjahren war Albrecht von Wallenstein der größte militärische Star Europas. Er genoss hohes Ansehen sowohl beim Feind, als auch bei den eigenen Leuten. Daneben war er zu seiner Zeit die mächtigste Gestalt in Deutschland neben dem Kaiser und einer der reichsten Privatpersonen überhaupt. Kein Wunder, dass der Kaiser sich selbst nicht mehr allzu wohl fühlte in Anbetracht er Machtfülle, die Wallenstein auf sich vereint hatte. Dazu kamen die hohen Schulden des Kaisers bei ihm und bekannterweise liebt niemand seinen Gläubiger. Der Herzog hatte dazu einen jähzornigen, tyrannischen und rücksichtslosen Charakter, der von brennendem Ehrgeiz getrieben wurde. All diese Eigenschaften waren militärisch vorteilhaft, doch am Hof behinderten sie ihn und machten ihm viele Feinde – Freude, die ihn retten hätten können, machte er sich dagegen kaum welche. Für Wallenstein war Krieg vor allem ein Geschäft – er betrieb ihn lange Zeit mit dem Organisationstalent und der strategischen Voraussicht eines Managers eines modernen Großkonzerns. Er erkannte, dass es kein besseres Geschäft als den Krieg gab und dass all das Geld, das für eine gute Truppenausrüstung und gutes Training der Soldaten aufgewendet werden musste, reichliche „Rendite“ abwarf, sofern man in der Schlacht erfolgreich blieb – was in seinem Fall beinahe immer der Fall war. Zwar wusste Wallenstein, dass der Kaiser seine Schulden bei ihm nicht bezahlen würde, dies war aber auch gar nicht nötig, denn er wusste die Privilegien, Ländereien und Titel, die ihm gegeben wurden, in bare Münze umzuwandeln.
Sein Erfolg, seine Strahlkraft und sein Reichtum machten den Herzog bei den Reichsfürsten verhasst, ja bald schon drängten immer mehr von ihnen auf eine Beseitigung – auf die eine oder andere Art und Weise, und sei es durch Mord. Wallenstein war auf der einen Seite jedoch derart von sich selbst überzeugt und vertraute vor allem auf die Protektion durch den Kaiser, dessen Gewalt er zu stärken trachtete – auf Kosten der Fürsten, dass er sich lange Zeit sicher fühlte und am Ende gerade nicht sah, wo die größte Gefahr für ihn lauerte. Von der Feindschaft der Fürsten wusste Wallenstein, auf sie war er vorbereitet, doch die Feindschaft des Kaisers traf ihn überraschend. Dies war letztlich sein Ende – ein Ende durch einen gewaltsamen Tod.
Nach Wallensteins Tod traten all die Befürchtungen ein, die der Herzog gefürchtet hatte und die ganzen Übel, die er vorhergesehen hatte, überfielen Deutschland: Hunger, Plünderungen, Qual, Meuchelmorde, Seuchen, Massenhafte Verbrennungen von Menschen und viele mehr. Frankreich nahm nun direkt am Krieg teil und sicherte sich im Frieden von Münster (1648, zusammen mit dem Frieden von Osnabrück als der „Westfälische Friede“ bekannt) große Privilegien, die ihm die Vorherrschaft auf dem europäischen Kontinent für lange Zeit sicherten. Der 30-jährige Krieg war der längste, größte und folgenreichste Krieg der Neuzeit in Europa. An seinem Ende war Deutschland völlig aufgelöst und in unzählige Einzelstaaten und Territorien zersplittert; anders als in England und Frankreich war die Zentralgewalt geschwächt worden und die lokalen Fürsten behielten ihre Souveränität. Dadurch fiel Deutschland in der Nationwerdung weit hinter die westeuropäischen Staaten zurück – ein Rückstand, der dann im 19. und 20. Jahrhundert im Eiltempo aufgeholt werden sollte – mit all den uns bekannten Folgen. Dieser Krieg des 17. Jahrhunderts hatte Auswirkungen von Portugal bis nach Russland und war ein wahrhaft europäischer Krieg, obwohl er als rein innerdeutsche Angelegenheit begonnen hatte, der von einer Lappalie ausgelöst wurde – dem Streit um zwei kleine protestantische Kirchen in Böhmen, die den Katholiken übergeben werden sollten. Am Ende gab es nur zwei große Sieger: Frankreich und Schweden.
Lektionen
- Man darf seinen Herrn mit seinem eigenen Glanz nicht überstrahlen. Ein Herr, der durch die eigene Brillanz verunsichert ist, ist sehr gefährlich.
- Unterschätze niemals den Neid und den Hass jener, die in deinem Schatten stehen.
- Wirklich werthaltige Dinge und Herrschaften sind von Dauer und keine kurzfristigen Erscheinungen.
- Durch politische Intrigen und mangelnde diplomatische Fähigkeiten werden auch militärische Leistungen, Titel und Ehren zunichte gemacht.
- Krieg ist das größte Geschäft überhaupt. Dieses Faktum hat sich bis heute nicht geändert. Diesen Gesichtspunkt dürfen wir bei allen militärischen und paramilitärischen Auseinandersetzungen niemals aus den Augen lassen.
- Was letztlich zählt ist der dauerhafte Frieden. Dagegen verblassen die Erfolge auf dem Schlachtfeld bei weitem. Obwohl man alle Schlachten gewinnt, kann man immer noch den Krieg verlieren. Ja es ist sogar möglich alle Schlachten zu verlieren und dennoch am Ende den Krieg zu gewinnen (so ging es etwa dem Amerikanern im Unabhängigkeitskrieg).
- Diplomatie kann Übel und Grausamkeit verhindern.
Euer O. M.